Samstag, 10. November 2012

Nacht

Kurz bevor die Sonne aufgeht, ist die Nacht am dunkelsten.

Selma Ottiliana Lovisa Lagerlöf




Ich bin kein Freund der kalten Jahrezeit. Die Temperaturen sinken und erlauben es nicht mehr ohne Zelt draußen zu schlafen. Die Tage werden kürzer und kalte, klare Nächte gewinnen das ewige Spiel um die Vorherrschaft über das Licht.

Natürlich hat die Winterzeit Vorteile, die sich nicht von der Hand weisen lassen. Doch ist es mir trotzdem lieber an einer lauen Sommernacht vor den Ruten, als in einer kalten Winternacht vor der Zeltheizung meine Zeit zu verbringen. 

Sonntagsfischer, Badegäste und sonstige Sommerquälgeister hin oder her. Die düsteren Stunden am Wasser sind mir einfach nicht sympathisch. Vielleicht liegt es auch an den mageren Fängen der letzten Jahre um diese Zeit.

Doch einmal wollte ich es noch wissen. Ich packte meine sieben Sachen und fuhr wieder einmal den Weg zu der alten Schottergrube. Die letzten male konnte ich dem See keinen Bewohner herauskitzeln. Viel Zeit blieb mir nicht mehr um noch einen Fisch abzuräumen bevor sich der eisige Schleier über das Wasser legt.

Es war 14 Uhr als ich am Ufer stand und mir der Wasserdampf entgegen wehte. Nur mehr knapp zwei Stunden bevor die Nacht den Tag verschluckt um mir die Arbeit zu erschweren.
Ich schleppte mein Tackle den steilen Weg hinunter um zu dem schmalen Uferstreifen zu gelangen, an dem ich mein Camp aufbauen wollte. Ich fischte 20 cm lange Monorigs mit extrem scharfen Pelzer Haken der größe 6. An dem geflochtenen Haar präsentierte ich abgeschälte Boillies welche ich als Singlehookbait in Tiefen zwischen 18 und 8 Metern anbot.



Als die letzte Rute abgelegte wurde, wurde mir erst bewusst wie schnell die Nacht hereingebrochen war. Alles war feucht, dunkel und kalt. Draußen war es neblig und die Temperaturen pendelten sich etwas über dem Gefrierpunkt ein.
Die Zeltheizung verrichtete ihre schweißtreibende Arbeit und ich verkroch mich mit einer Wärmeflasche in meinen Schlafsack. Am nächsten morgen wurde ich von der Kälte geweckt. Null Aktion an den Ruten, aber auch kein Grund sie neu zu platzieren, da sie an guten Stellen auf einen Abnehmer warteten.

Ich machte mir einen heißen Tee und versuchte die bisslose Zeit mit einem Buch zu überbrücken. Kaum hatte ich mich etwas eingelesen, verabschiedete sich die Sonne auch schon wieder. Die Zeit verflog im Eiltempo, ihr voran die Sonnenstrahlen.

Ich lauschte in die Stille der Dunkelheit bis diese plötzlich von einem Klatschgeräusch unterbrochen wurde. Das war ein Fisch. Ein Fisch der ganz in meiner Nähe gesprungen war. Draußen vor dem Zelt hockte ich nun in der Nacht und sah durch den von meiner Stirnlampe beschienenen Atem auf die Wasseroberfläche. Da war es. Noch ein klatschen. Ich konnte zwar nichts sehen, aufgrund des Geräusches konnte ich mir aber ungefähr den Ort vorstellen an dem die Geräusche herkamen. Ich hatte nichts zu verlieren. Also holte ich eine Montage ein um sie zu den springenden Fischen zu bringen. Während ich auf der dunklen Wasseroberfläche ruderte, konnte ich die Karpfen immer lauter hören. Leise und vorsichtig war ich nun auf dem Platz. Eine Sandbank in zwei Metern Wassertiefe. Nicht gerade der Ort an dem ich die Fisch bei den Temperaturen vermutete. Aber egal, weniger als bisher konnte nicht passieren und so legte ich den Singlehookbait präzise ab.

Wieder zurück am Ufer musste ich meine klammen, eisigen Gliedmaßen an der Zeltheizung aufwärmen. Ich war geschlaucht und hundemüde als ich mich gegen drei Uhr früh in meinen Schlafsack verzog um noch ein paar Stunden zu schlafen.

Ein kurzer Piepser ließ meine Augen aufschnellen. Kurz darauf ein zweiter Piepser an der selben Rute. Gerade als ich aufstehen wollte um mir die Jacke anzuziehen war er da. Der lang ersehnte Dauerton vom Bissanzeiger. Ich ließ die Jacke fallen, was ich später noch bereuen sollte, und lief hinaus zur Rute um den Drill zu beginnen.

Der Fisch war auf 150 Metern Distanz und nahm noch immer Schnur von der Rolle. Gefühlvoll bremste ich ihn ab und erhöhte den Druck. Nun stand ich da. Ohne Jacke, ohne Stirnlampe dafür mit einer krummen Rute. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war. Es dürfte aber schon nach sechs Uhr morgens gewesen sein, da die Nacht an Dunkelheit verlor und ich die Umrisse des gegenüberliegenden Ufers bereits sehen konnte.

Der Fisch zog vehement Schnur ab. Ich wechselte die Hand an der Rute um jeweils eine in meiner Hosentasche zu wärmen. Während nun schon die Sonne über die Bäume lächelte, konnte ich nach einem starken Drill einen schönen Spiegler über meinen Kescher führen.



Durch spontanes Umlegen der Rute, konnte ich die kräftezehrende, dunkle Zeit des Motivationstiefs überstehen, um im Sonnenaufgang einen Fisch zu drillen.

In diesem Sinne, haltet durch. Die Sonne geht für jeden auf!