Sonntag, 21. April 2013

Flucht

"Das erste Grün der Saat, von Regen feucht,
Zieht weit sich hin an niedrer Hügel Flucht.
Zwei große Krähen flattern aufgescheucht
Zu braunem Dorngebüsch in grüner Schlucht.
Wie auf der stillen See ein Wölkchen steht,
So ruhn die Berge hinten in dem Blau,
Auf die ein feiner Regen niedergeht,
Wie Silberschleier, dünn und zitternd grau."

Georg Heym


Ich starrte auf meine Armbanduhr und konnte es nicht erwarten bis das Klopfen der Studenten endlich das Startzeichen gab um den Saal verlassen zu können. Eine anstrengende Woche lag hinter mir und viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, als ich zur U-Bahn Station schlenderte. Einen Sitzplatz zu ergattern würde um diese Uhrzeit einem Lotto Sechser gleichen, deshalb schaute ich mich erst gar nicht danach um. Ohnehin waren es nur einige Stationen bis ich dem Trubel entkommen würde.

Einfach abschalten und den Kopf freibekommen. Das fällt, denke ich, nicht nur mir schwer. Zu schnell dreht sich alles um einen herum und man muss aufpassen, dass man in dieser Raserei nichts versäumt. Ich kramte in meiner Tasche und fischte zwischen einigen Unterlagen den Schlüssel zu dem großen Eisentor hervor. Nur mehr eine Schlüsselumdrehung war ich von meiner Flucht entfernt. Meiner Flucht vor der Hektik der Großstadt. Das Tor krächzte als es hinter mir wieder in dessen Schloss einrastete. Da war ich. Vor mir eine riesige Wasserfläche und mein Boot. Schnell noch ein paar Sachen auf das Boot geladen und schon war ich auf dem Weg zu meinem neuen Swim.

Die feuchte Luft durchströmte meine Lungenflügeln und für ein paar Sekunden wurden mir sogar einige Sonnenstrahlen geschenkt. Langsam, aber sicher erwacht der Frühling aus seinem Winterschlaf und mit ihm, so hoffte ich, auch die Bewohner unter der Wasseroberfläche. Am anvisierten Platz angekommen, wurden zuerst die Ruten montiert und die Rigs auf vielversprechende Spots befördert. Hundemüde machte ich es mir unter meinem Schirm gemütlich. Jetzt war ich alleine, alleine mit den rhythmischen Paddelschlägen der Ruderer und dem leisen Surren von abgestorbenem Schilf, welches im Wind tanzte.

Gegen ein Uhr nachts, wurde ich auch schon von meinem Receiver geweckt und der Dauerton entpuppte sich als makelloser Spiegelkarpfen. Ein wunderbares Gefühl, den ersten Fisch aus einem neuen Gewässer auf der Matte zu bewundern. Wie sehr hatte ich das vermisst. Gegen 6 Uhr wurde ich erneut aus meinem Schlaf gerissen. Erfreulicherweise von der Rute des anderen Spots. Nach ein paar Fotos von dem Spiegler, konnte ich ruhigen Gewissens noch ein paar Stunden schlafen, bevor der angekündigte Besuch eintreffen sollte.




Jan, mein alter Nachbar aus Kindertagen wohnt nun nur einige Minuten von meinem neuen Gewässer entfernt  und erfreute mich an diesem Morgen mit einem deftigen Frühstück. Ganz besonders waren die polnischen Spezialitäten, welche Anna, Jan´s Freundin, mitbrachte.


Gestärkt von der reichhaltigen Mahlzeit wurden die Montagen kontrolliert und noch ein paar mit Leber-Protein-Konzentrat benetzte Kugeln nachgefüttert.


Die Gewitterwolken des Vortages verzogen sich langsam und der Westwind drückte genau auf mein Ufer. Die idealen Bedingungen belohnten mich in der zweiten Nacht mit einem schlanken Schuppi um die 4 Kg, welcher gleich vom Boot wieder released wurde.

Die Tage werden wärmer und das Leben erwacht, lasst das große Fressen beginnen.

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